In die Falle getappt
Der «Reinfall» ist exemplarisch. Ein Spezialsammler findet endlich wieder einmal ein echtes Unikat für sein Exponat. Sofort vergisst er alle philatelistische Vorsicht und fällt prompt in die «Fallgrube». – So kommentierte der Prüfer den Erwerb dieses wunderschönen Beleges.
Die Vorgeschichte reicht einige Jahre zurück. Ein Spezialsammler entdeckte im Internet einen für sein Exponat passenden Brief. Nicht irgendeinen, nein einen wunderschönen Beleg aus der Rayon-Zeit mit einer attraktiven Genfer Taxierung Abb. 1). Im Angebot stand vermutlich nicht explizit, dass der Beleg echt sei und ein Attest lag auch keines vor. Hingegen wurde ein dreissigtägiges Rückgaberecht für den Fall einer berechtigten Reklamation eingeräumt. Also wurde die Gelegenheit am Schopf gepackt und der Beleg – eine Briefvorderseite gekauft. Nach ein paar Jahren beabsichtigte der Erwerber seinen damals erworbenen Beleg in sein Exponat einzubauen. Doch in der Zwischenzeit kamen da gewisse Zweifel an der Echtheit auf. Ein ehemaliger Verbandsprüfer riet dem Sammler, den Beleg doch von einem spezialisierten Prüfer, bspw. von Urs Hermann, prüfen zu lassen. Die Nachricht kam postwendend und war natürlich frustrierend, denn nun stand fest, dass man auf ein Machwerk hereingefallen war.
Abbildung 1
Geblendet von der Attraktivität des sauberen und farbenprächtigen Belegs wurde damals die philatelistische Vorsicht ausgeblendet. Eigentlich hätte man schon vor dem Kauf überlegen sollen, weshalb ein Brief aus dem Jahr 1852, frankiert mit gültigen Wertzeichen im Betrag von 10 Rp. zu einer Taxierung von 15 Centimes geführt haben sollte. Denn ein Brief der 1. Gewichtsstufe von Genf nach Solothurn erforderte am 5. Februar 1852 eine Frankatur von 15 Rp. Und dann hätten sich zwei logische Anschlussfragen gestellt: Warum sind die beiden gültigen Rayon-Marken nicht entwertet worden? Und warum wurde eine Taxierung über den gesamten Betrag der erforderlichen Frankatur und nicht nur über die fehlende Differenz von 5 Rp. vorgenommen?
Offenbar stellte der Käufer diese Überlegungen zu spät an. Aber immerhin frühzeitig genug, um sich nicht an einer Verbandsausstellung mit dem schönen Beleg zu blamieren. Die sorgfältige Prüfung ergab denn auch ein klares Bild darüber, was hier Sache war. Ursprünglich war der Brief in Genf unfrankiert aufgegeben worden. Das war zu jener Zeit nicht aussergewöhnlich.
Es hatte lediglich zur Folge, dass der Empfänger das Porto bezahlen musste. In Genf stempelte man deshalb den fehlenden Betrag in Rot auf den Brief: 15 Centimes. Weiterführende Hinweise oder Vermerke sind auf der Briefvorderseite nicht vorhanden, weshalb angenommen werden darf, dass der Empfänger das fällige Porto damals beglichen hat.
Wie kamen nun aber die beiden hellblauen Rayon-Marken auf den Brief? Sie machen ja den Anschein, als seien sie ungebraucht. Und als solche wären sie in jedem Fall wertvoller als ein gebrauchtes Paar. Wer sollte also daran Interesse haben, 2200 Franken Wert gegen 800 Franken (Angaben gemäss SBK 2018) einzutauschen?
Wäre im Zuge der Belegprüfung nicht festgestellt worden, dass es sich gar nicht um ungebrauchte Marken handelt. Vielmehr wurden die beiden ursprünglich mit roter Tinte entwerteten Marken des Drucksteins C2, Typen 29 und 30, verfälscht. Die Tintenentwertung wurde entfernt, der obere Rand des defekten Markenpaares wurde ergänzt und nachgemalt, ebenso wie der rechte Rand der Type 30. Sodann wurde versucht, die defekten Marken mit einer derartigen Frankaturverfälschung aufzuwerten. Wann diese Manipulation vorgenommen worden ist, kann nicht mehr festgestellt werden. Allerdings verfügte der Fälscher nicht über allzu viel Sachkenntnis. Denn die erste nachgewiesene Verwendung von hellblauen Rayon-Marken des Drucksteins C2 geht auf den 16. April 1852 zurück. Wie sollten also fast zweieinhalb Monate früher solche Marken in Genf verwendet worden sein?
An Eindeutigkeit nichts auszusetzen gibt es am Attest von
Urs Hermann (Abb. 2), worin die Mängel minutiös aufgeführt
und beschrieben sind. Bleibt noch die Frage nach dem
Ausgang der Geschichte. Aufgrund des Attests versuchte der
Abbildung 2
Käufer eine Rückabwicklung des Kaufes zu erwirken, was aus juristischer Sicht innert 10 Jahren möglich ist. Weil es der Käufer jedoch unterlassen hat, seinen damaligen Internet-Kauf im Detail zu dokumentieren, haben sich die beiden Vertragsparteien nach einer mehrere Monate dauernden Verhandlung auf einen für beide Parteien tragbaren Kompromiss geeinigt, d. h. eine Teilrückzahlung des damaligen Kaufpreises vereinbart.
Die Lehre aus der Geschichte: Bestehen Sie bei derartigen Käufen darauf, dass Ihnen der Verkäufer eine verbindliche Aussage zur Echtheit macht. Dann lassen Sie ein bisher nicht geprüftes Stück sofort von einem spezialisierten Verbandsprüfer beurteilen. Wird dabei eine Fälschung oder Verfälschung festgestellt, müssen sie unverzüglich mit eingeschriebenem Brief eine Rückabwicklung des Kaufes verlangen. Dabei muss Ihnen der Verkäufer die entstandenen Attestkosten ebenfalls vergüten. Sollte das abgelehnt werden, scheuen Sie sich nicht davor, den Rechtsweg zu beschreiten (Zahlungsbefehl und Einleitung einer Betreibung).
Verzeichnis der offiziellen, aktiven Prüfer des
Verbandes Schweizerischer Philatelistenvereine
Präsident SBPV: Marchand Jean-Claude, 35, route du Prieur, 1257 Croix-de-Rozon
022 781 38 12, E-Mail: jcm@philatelie-marchand.ch
Prüfgebiet: Schweiz
Sekretär SBPV: Loertscher Kurt, Spillgässli 8, 6205 Eich
041 460 30 65, E-Mail: kurt.loertscher@bluewin.ch
Schweiz ab 1882 (ohne Flugpost-, Dienst- und Portomarken)
Kassier: Hoffner Johannes, Hintermatt 9, 4417 Ziefen
061 931 14 52, E-Mail: johanneshoffner@bluewin.ch
Schweiz: Industrielle Kriegswirtschaft, Dienstmarken und Ämter (ohne Kreuzlochung);
Belgien: Belgische Militärpost im Rheinland, Eupen, Malmédy; Fürstentum Liechtenstein ab 1912, inkl. Mitläufer Österreich und Schweiz (ohne Flug- und Zeppelinpost)
Avi Helmuth, Via Longhena 3, Postfach 4349, 6904 Lugano
091 972 48 60, E-Mail: helmuthavi@freesurf.ch
Altitalienische Staaten, Italien ab 1850 (inkl. Kolonien), San Marino, Vatikan
Eichele Martin, Birseckstrasse 99, Postfach 608, 4144 Arlesheim
061 261 73 79, E-Mail: info@philaclassica.ch
Schweiz 1843–1854: Kantonalmarken, Übergangsperiode, Durheim-Ausgaben
Elbau Peter, 7414 Fürstenau
081 651 42 64, E-Mail: peter@elbau.info
Österreich-Ungarn Kreuzergebiet (Vorphilatelie bis 1918),
Rumänien 1858–1918
Guinand Pierre, Chemin de la Plantaz 18, 1110 Morges
021 801 46 07, E-Mail: guinandmorges@bluewin.ch
Schweiz 1862–1907, Portomarken
Hermann Urs, Niederstad 49, CH-6053 Alpnachstad
061 921 07 66, E-Mail: urshermann@yahoo.de
Durheim-Ausgaben, Sitzende Helvetia ungezähnt und gezähnt
Hertsch Christoph, Zeughausgasse 24, Postfach, 3011 Bern
031 312 00 55, Fax 031 312 23 26, E-Mail: info@briefmarken.ch
Schweiz (1843 bis heute) inkl. Flugpost
Huzanic Mario, Engstringerstrasse 2, 8952 Schlieren
044 731 99 81, E-Mail: mario.huzanic@madebynet.ch
Prüfgebiete: Jugoslawien 1918 bis 1941, Mi.-Nr. 1 bis 450 und Porto Mi.-Nr. 1–73
Kroatien 1941 bis 1945, Mi.-Nr. 1–178 inkl. Dienstmarken, Portomarken, Zwangszuschlagsmarken und Provisorien
Neumann Till, Osterdeich 32, 28203 D-Bremen, Postfach 102940,
D-28029 Bremen; +49 421 7940260, Mobile: +49 177 7940260,
Fax +49 421 7940261, E-Mail: tn@klassische-philatelie.de
Schweiz 1843–1851: nur Kantonalmarken und Übergangsperiode (KEINE Bundesmarken)
Disteli Andreas, Blankenmatt 14, CH-4612 Wangen b. Olten SO
062 212 99 71, E-Mail: andreas.disteli@bluewin.ch
Schweiz: Industrielle Kriegswirtschaft