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150 Jahre Schaubek-Album – 150 Jahre «weltbekannt»!

Die ältesten noch existierenden Briefmarkensammler-Vereine in Deutschland schauen auf fast 145 Jahre zurück. Die ersten Kataloge sind zwar noch älter, sie existieren aber nicht mehr. Sie werden aber mit dem MICHEL-Katalog von Hugo Michel seit 1910 bis heute in einer Tradition weitergeführt, schauen also auf «nur» 110 Jahre zurück. Selbst das bis 2008 älteste bestehende Briefmarkenhaus Deutschlands, die Briefmarkenhandlung der Gebr. Senf in Leipzig, 1872 gegründet, existiert nicht mehr. Überdauert und älter ist allein das Schaubek-Album, das in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag feiert, allerdings noch ältere Wurzeln hat, die es hier aber nicht zu betrachten gilt.

 

«Schaubek» – den Namen seines Albums bildete Gustav Bauschke (*1843), seinerzeit Buchhändler und Besitzer des «Litterarischen Museums» in Leipzig, durch Umstellung der Buchstaben aus seinem Familiennamen (ein sog. Anagram). Leider weiss man heute nicht mehr viel über ihn. 

Er entstammte einer Breslauer Schriftsteller- und Buchhändlerfamilie. Sein Vater, Moritz Bauschke (1809–1851), ur sprünglich in Breslau ansässig, kam 1843 nach Leipzig und erwarb das genannte «Litterarische Museum» (zu dieser Zeit noch mit Doppel-tt geschrieben), was ein «Leihinstitut für Zeitschriften, einschliesslich Lesecabinett, verbunden mit einer Leihbibliothek» (so die offizielle Bezeichnung) war. Nach dem frühen Tod des Vaters 1851 führte die Mutter Josephine das Geschäft weiter, ihr Sohn Gustav wurde 1862 in ihrem Geschäft zum Buchhändler ausgebildet und übernahm dann das Unternehmen. Seine späteren Geschäftspartner schätzten ihn wegen seiner fundierten Kenntnisse und Bildung. Schilderungen stellen ihn als einfallsreichen und lebenslustigen Menschen sowie kompetenten Philatelisten dar, der bereits 1864 einen eigenen Briefmarken-Katalog herausgab.

Wohl aus Rücksicht auf seine zunehmende Geisteskrankheit, die sich stetig verschlimmerte (am 18. Oktober 1876 wurde Bauschke in eine Anstalt eingewiesen) und in deren Verlauf er irgendwann wohl kurz nach 1879 verstarb, sind keine Bilder und nur wenige Berichte zu Gustav Bauschke überliefert. Sein Sterbeort ist bis heute nicht mehr zu ermitteln. Das hier zu betrachtende Schaubek-Album war nicht das erste seiner Art, das in Leipzig entstand. Ihm voraus ging z. B. das «Album für Briefmarken» (ab 1862), das der Verleger Gustav Wuttig in zahlreichen Auflagen und Ausgaben erscheinen liess, und andere mehr. Bauschke etablierte sich in der Leipziger Szene, gab Kataloge und Zeitschriften heraus, die er aber aus Gesundheitsgründen 1868 an seinen Mitstreiter Julius Kümmel abgab, um sich in Aussig mehr um seine Gesundung zu kümmern.

1869 hatte Bauschke in Dresden den damals aufstreben den führenden Philatelisten Alfred Moschkau kennengelernt. Moschkau erwarb im April 1870 die damals als eine der grössten geltende Sammlung von Martin Trauwitz, dem Dresdner Hofpostmeister, und nach dessen Sammlung, in der alle Postwertzeichen chronologisch nach deren Ausgabejahr sortiert und auf losen Blättern untergebracht waren, gestaltete Bauschke das «Album für Briefmarken unter Mitwirkung der ersten Autoritäten Deutschlands, herausgegeben von G. Schaubek».

Dieses Album übertraf alle Erwartungen und erlebte schnell die noch von Bauschke selbst bearbeitete zweite und dritte Auflage. 10 000 Exemplare der ersten Auflage, 8000 Exemplare der zweiten Auflage und nochmals 10 000 Exemplare der dritten Auflage 1876 waren der Lohn für Bauschkes Arbeit, die jeweils im Verlag seines Freundes Eduard Wartig produziert wurden. 

Erst vor wenigen Jahren gelang es, ein Exemplar der ersten Ausgabe des Schaubek-Albums ausfindig zu machen. Dabei war diese Erstaufl age sogar in sieben (!) verschiedenen Aus gaben erschienen. Es gab eine kartonierte, aber auch eine in Saffian und feinstem Karton eingebundene Prachtausgabe, in der man sogar «Nuancen und Varietäten» – gemeint waren u. a. Wasserzeichen und Farbunterschiede – unterbringen konnte. Allerdings kostete diese Prachtausgabe 12 Taler, eine enorme Summe, die sich «Otto Normalverbraucher» wahrlich nicht leisten konnte.

Doch verschlechterte sich Bauschkes Gesundheitszustand erneut, weshalb sein Verleger Eduard Wartig am 10. Oktober 1876 die Rechte am Schaubek-Album für 10 000 Goldmark an den Leipziger Verleger Luis Senf veräusserte. Der Originalvertrag sowie das einzige bis heute bekannte Exemplar des ersten Schaubek-Albums befinden sich im WM-Archiv des Autors.

Dr. Alfred Moschkau – er arbeitete zu dieser Zeit als Schriftleiter des «Illustrirten Briefmarken-Journals» für Louis Senf – sorgte nun die Bearbeitung dieses Albums in 4. Aufl age 1877. 1880 trat Richard Senf in den Verlag seines Bruders ein und übernahm nach dem Ausscheiden Moschkaus selbst die Verantwortung für das Schaubek-Album, das ab 1883 in der 5. Aufl age im Verlag der Gebrüder Senf wieder regelmässig jährlich erscheinen sollte.

Am 12. März 1894 erwarb der Leipziger Carl Friedrich Lücke das Album für den für dieses Produkt neu gegründeten Verlag. Inhalt liche Verbesserungen, dreisprachige Texte und andere Neuerungen führten bald zum weltweiten Erfolg. Paul Lederer, der 1884 im Ver lag der Gebr. Senf als Lehrling begonnen hatte und später Mitinhaber des Verlages C.F. Lücke wurde, entwickelte 1895 das Nachtragssys tem sowie 1906 die Permanent-Ausgaben, das erste Lose-Blatt System. 

1930 ging der Verlag C.F. Lücke in den Besitz der Leipziger Familie Junck über. Der frühe Tod des Inhabers Fritz Junck 1936, kriegsbedingter Papiermangel und der Wiederaufbau der Verlagsgeschäfte nach dem Zweiten Weltkrieg wurden bewältigt. Dies verdankte der Verlag insbesondere dem Geschick von Kurt Reinhold, unter dessen Führung das Schaubek-Album 1955 «Brillant» wird: Gemeinsam mit der Firma «hawid» Hans Widmaier, Berlin, wurden die «Schaufix»-Klemmtaschen mit doppelter Klemmnaht entwickelt, die fortan ein falzloses Sammeln der Briefmarken ermöglichten.

Nach der Verstaatlichung durch die DDR zum «VEB Schau bek-Verlag» im Jahre 1972 erfolgte zum 1. September 1990 die Reprivatisierung. Unter dem Namen «Schaubek-Verlag Leipzig» befindet sich der Verlag heute wieder im Besitz der Familie Junck bzw. deren Nachkommen.

Hinweis 

Die Grundzüge dieses Beitrages wurden bereits vom Autor in Kooperation mit Stefan Lutter 2010 in der «philatelie» (Nr. 411/September 2011, S. 20 + 22) veröffentlicht, hier aber vom Autor überarbeitet und um zahlreiche wichtige Aspekte er gänzt. In «PHILA HISTORICA» 4/2020 ist dazu von Hans Peter Garcarek ein noch weit ausführlicherer Beitrag zum The ma erschienen: «Wie das Schaubek-Album entstand …» Die Ausgabe dieser Zeitschrift ist kostenfrei herunterzuladen unter www.philahistorica.de