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Der Lieferwagen, der Geschichte schrieb


Jan Siegenthaler

La camionnette qui a marqué l’histoire.

Ein unscheinbares Fahrzeug im Museum für Kommunikation erinnert an den grössten Postraub der Schweiz. Un véhicule discret exposé au Musée de la communication rappelle le plus grand braquage postal de Suisse, le 1er septembre 1997.

Wer durch das Museum für Kommunikation in Bern spaziert, begegnet vielen Zeugnissen aus der Geschichte der Post, des Telefons und des Internets. Zwischen Schreibmaschinen, PTT-Schildern und alten Fahrzeugen steht ein kleiner weisser Lieferwagen, ein Fiat Fiorino. Der Wagen ist verrusst, der Lack blättert ab, das Metall ist verzogen. Dieses unscheinbare Fahrzeug war einst Teil eines der spektakulärsten Kriminalfälle der Schweizer Geschichte – des Fraumünster-Postraubs von 1997.

 

Der Raub

Am 1. September 1997 wurde die Fraumünsterpost im Zentrum von Zürich überfallen. Mehrere Täter drangen am Vormittag in den Innenhof ein, wo Angestellte der Post gerade Bargeld für den Transport zur Nationalbank vorbereiteten. Die Räuber kamen mit einem weissen Fiat Fiorino, der als Servicefahrzeug der damaligen Telecom PTT getarnt war. In wenigen Minuten erbeuteten sie rund CHF 53 Mio. – Bargeld, das für verschiedene Banken bestimmt war. Es war der grösste Postraub in der Schweizer Geschichte. Die Täter flüchteten mit dem Fiat, den sie später anzündeten, um Spuren zu vernichten.

 

Die Ermittlungen

Die Polizei richtete eine Sonderkommission ein, die jahrelang ermittelte. In den folgenden Jahren wurden mehrere Personen verhaftet und verurteilt, darunter ein ehemaliger Postangestellter, der den Räubern vermutlich internes Wissen verschafft hatte. Ein grosser Teil der Beute blieb allerdings verschwunden. Einige Täter konnten der Tat nie eindeutig zugeordnet werden. Die genauen Abläufe des Überfalls sind bis heute nicht vollständig geklärt.

Das Fahrzeug als Zeitzeuge

Der ausgebrannte Fiat Fiorino wurde später beschlagnahmt und gelangte in den Besitz des Museums für Kommunikation Bern, wo er heute Teil der Dauerausstellung ist. Das Museum zeigt das Fahrzeug, um die Geschichte der Post auch in ihren dunklen Kapiteln zu beleuchten. Der Lieferwagen steht als Symbol für das Vertrauen, das die damalige Gesellschaft in Institutionen wie die Post setzte – und wie dieses Vertrauen missbraucht werden kann. Die Museumsbeschreibung spricht bewusst von einem «Original-Fluchtfahrzeug eines Jahrhundertraubs». Der Wagen wurde nicht restauriert: Die Brandspuren, die deformierte Karosserie und der verkohlte Innenraum bleiben sichtbar. So wirkt er wie ein stiller Zeuge eines Ereignisses, das in der Schweiz ein kollektives Erinnerungsbild hinterlassen hat.

Fraumünsterpost Anfang 20. Jahrhundert. Fraumünsterpost au début du XXe siècle.

 

Fluchtfahrzeug mit angebrannter Postkiste. Véhicule de fuite avec boîte brûlée.

Folgen und Bedeutung

Der Fraumünster-Postraub führte zu umfangreichen Sicherheitsanpassungen bei der Post und bei Werttransporten. Zugänge zu Verladezonen wurden strenger kontrolliert, und die Zusammenarbeit mit Sicherheitsdiensten wurde neu geregelt. Für das Museum ist der Fiat Fiorino nicht nur ein Kriminalitätsobjekt, sondern auch ein kulturhistorisches Exponat. Er erinnert daran, dass Kommunikation, Logistik und Vertrauen eng miteinander verbunden sind – und dass technische Systeme nur so sicher sind, wie die Menschen, die sie bedienen.

Ein Stück Schweizer Geschichte

Heute steht der Wagen in der Ausstellung zwischen Postkutschen, Telefonen und Computern. Besucherinnen und Besucher bleiben häufig davor stehen, lesen die Begleittexte und erinnern sich an die Schlagzeilen von damals. Der kleine Fiat, einst Fluchtfahrzeug in einem Millionenraub, ist nun Teil der Schweizer Erinnerungskultur – ein Objekt, das zeigt, wie Geschichte, Technik und Gesellschaft miteinander verwoben sind.

 

Fraumünster-Postraub – die wichtigsten Fakten

  • Datum: 1. September 1997
  • Ort: Fraumünsterpost, Zürich
  • Beute: rund 53 Mio. Franken
  • Tatfahrzeug: Fiat Fiorino, weiss, getarnt als Telecom-Servicewagen
  • Tat: mehrere bewaffnete Täter überfielen Postangestellte im Innenhof
  • Folge: mehrere Verurteilungen; grosser Teil der Beute nie gefunden
  • Exponat: ausgebrannter Lieferwagen im Museum für Kommunikation Bern